Sokrates tat es, Platon tat es, Aristoteles tat es. Diese Lichtgestalten unserer abendländischen Philosophie waren Teilnehmer der Mysterien von Eleusis und haben in einem rituellen Setting den psychedelischen Trank Kykeon konsumiert. Viele Kilometer entfernt und bereits hunderte Jahre früher wird auf dem asiatischen Kontinent im uralten indischen Rigveda vom psychedelischen Trank Soma berichtet, der im alten Persien als Haoma bekannt war, und in Südamerika greifen die indigenen Völker bereits seit präkolumbianischer Zeit auf den psychedelischen Pflanzensud Ayahuasca zurück.
Die psychedelische Erfahrung ist seit jeher Teil der Menschheitsgeschichte. Die ältesten Belege für den Konsum psychedelischer Pilze sind rund 20.000 Jahre alt – und es gibt gute Gründe davon auszugehen, dass der rituelle Gebrauch sogar noch sehr viel älter ist. Trotz ihrer Ächtung in westlichen Kulturkreisen aus mehr oder weniger fragwürdigen Gründen, haben es die Psychedelika bis in unsere Zeit geschafft und erfreuen sich in jüngerer Zeit wieder zunehmender Beliebtheit. Steve Jobs, Sting, Lindsey Lohan, Susan Sarandon, Ben Stiller uvm. – Sie alle eint das Interesse an psychedelischen Erfahrungen, wenngleich aus unterschiedlichen Motiven.
Das Motiv für eine psychedelische Erfahrung
Das Motiv ist für mich ohnehin der springende Punkt: Warum bzw. wozu möchte ich eine psychedelische Erfahrung machen? Bei meinen eigenen Erfahrungen mit Psychedelika steht stets das Ziel im Vordergrund, die Natur meines Bewusstseins zu erforschen, weshalb ich mich der Gruppe der Psychonauten zugehörig fühle, die sich genau diesem Ziel verschreibt. So wie Astronauten den Weltraum erkunden, erforschen Psychonauten den „Raum des Bewusstseins“.
Es ist daher nicht die bloße Neugier nach außergewöhnlichen Erfahrungen, die mich antreibt. Wäre das der Fall, dann könnte ich genauso gut Sand von verschiedenen Spielplätzen essen, um mit Neugier wahrzunehmen, wie unterschiedlich laut er zwischen meinen Zähnen knirscht. Auch der Wunsch nach hedonistischen Erfahrungen treibt mich nicht an, denn Psychedelika verursachen kein euphorisch-ekstatisches Hochgefühl wie es bei anderen Substanzen der Fall ist und haben u.a. auch deswegen kein körperliches oder psychisches Suchtpotential.
Als Psychonaut fasziniert mich vielmehr die Möglichkeit, mithilfe der psychedelischen Erfahrungen meine eigene Achtsamkeitspraxis und damit auch die Kunst der Selbstführung zu unterstützen und zu vertiefen. Eine psychedelische Reise mit dem Ziel der Selbsterforschung ermöglicht Erfahrungen, die im Alltagsbewusstsein nicht oder nur sehr schwer und langsam zu erreichen sind. Das achtsame Wahrnehmen dessen, was im veränderten Bewusstseinszustand geschieht, aber auch das kontemplative Reflektieren dessen, was an Gedanken und Bildern aufsteigt, sind Ansätze, um sich die psychedelische Erfahrung nutzbar zu machen und sich zu ihr bewusst zu verhalten. Meine „Reisen ins Bewusstsein“ gehören daher zweifelsfrei zu den bedeutungsvollsten Momenten meines Lebens, da ich aus ihnen Erkenntnisse und Erfahrungen mitnehmen durfte, die sich in mein Alltagsbewusstsein integrieren lassen und sich nachhaltig positiv auf mein Leben auswirken.
Neben dem Erkenntnisgewinn zur Selbstführung im Sinne der Psychonautik und abgesehen von rein spaßbetonten Trips, spielt bei der Verwendung von Psychedelika auch das Motiv der Selbstoptimierung eine zunehmend wichtigere Rolle. Der Wunsch nach Selbstoptimierung sieht in Psychedelika eine weitere Möglichkeit zur gezielten Leistungssteigerung. Bspw. durch Microdosing, d.h. der dosierten Einnahme von Psychedelika knapp unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, um die Kreativität oder die Konzentration zu steigern. Eine Praxis, die in der Start-Up Szene und insbesondere im Silicon Valley zunehmend populärer wird. Während jedoch einerseits unklar ist, ob Microdosing überhaupt eine Wirkung hat, gilt es andererseits zu hinterfragen, ob die leistungsorientierte Instrumentalisierung von Psychedelika ihrem Potenzial gerecht wird.
Die unterschiedlichen Erfahrungsergänzungsmittel
Neben den unterschiedlichen Motiven für eine psychedelische Erfahrung zielt eine weitere Unterscheidung auf deren Ursache ab. Auch wenn mit Psychedelika in der Regel Substanzen gemeint sind, so darf nicht unerwähnt bleiben, dass es verschiedene Kulturpraktiken und Techniken gibt, die ohne biochemischen Eingriff psychedelisch wirken können. Vom Chanten tibetisch-buddhistischer Mönche, über den Tanz muslimisch-asketischer Derwische bis hin zu schamanischen Trommelritualen gibt es weltweit verschiedene Techniken, um in einen anderen Bewusstseinszustand zu kommen.
Es lässt sich darüber streiten, inwiefern diese anderen Bewusstseinszustände in ihrer Qualität und Intensität vergleichbar sind mit einer substanzbasierten psychedelischen Erfahrung. Meiner eigenen Erfahrung nach gelingt es einigen Atemtechniken am ehesten, eine Art vergleichbare psychedelische Erfahrung hervorzurufen. Aber abgesehen davon, dass es ein zutiefst persönliches Geschmacksurteil ist, sind auch solche Atemübungen von der Intensität her nur ein Schatten in Platons Höhle, während Psychedelika außerhalb der Höhle als Sonnenlicht die Welt erleuchten.
Auch bei den psychedelischen Techniken lassen sich prinzipiell die beiden Motive Selbstführung und Selbstoptimierung voneinander unterscheiden. Der Psychonaut, der in sein Bewusstsein eintauchen möchte, nutzt dafür neben Substanzen auch entsprechende Praktiken. Derjenige jedoch, der in erster Linie Selbstoptimierung anstrebt, ähnelt eher einem Biohacker, der mit Fokus auf die Unterkategorie Mindhacking Atemtechniken und Meditation nutzt, um sein Leistungspotenzial im Alltag zu erhöhen.
Eine Warnung zum Abschluss
Psychedelische Erfahrung sind nicht für jeden Menschen geeignet und nicht zu jeder Zeit zu empfehlen. Es wäre verantwortungslos an dieser Stelle ein anderes Bild zu suggerieren. Dort jedoch, wo pauschale Vorurteile gegenüber „Drogen“ eine Neubewertung erfahren und dort, wo das Potenzial der Psychedelika nicht durch unsachgemäße Handhabung verpufft oder missbraucht wird, dort lässt sich mit den Worten Stanislav Grofs sagen:
„Psychedelics, used responsibly and with proper caution, would be for psychiatry what the microscope is for biology and medicine or the telescope is for astronomy.“
댓글